Rechtsrahmen

Die Aufstellung von Festlegungen ist Teil der hoheitlichen Aufgabe der Raumordnung. Die Bewältigung von Aufgaben der Klimaanpassung durch Festlegungen gehört ebenfalls zu dieser hoheitlichen Aufgabe (vergleiche nur § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 7 ROG).

Festlegungen müssen nach Art und Umfang beziehungsweise Gegenstand und Reichweite die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes (GG) an die Raumordnung und die Vorgaben des Raumord­nungsgesetzes (ROG) beachten. Grundlegende, allgemein­gültige Anforderungen an Festlegungen folgen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie der Kom­petenzverteilung im GG und deren Konkretisierung in den §§ 1, 2, 7 und 8 ROG. Hierzu gehören unter anderem die Einhaltung des Erforderlichkeits- und Abwägungsgebots sowie des Bestimmtheitsgrundsatzes. Weitere Anforde­rungen ergeben sich aus den materiellen Vorgaben für regionalplanerische Inhalte in § 8 ROG. Für Einzelheiten zu diesen allgemeingültigen Anforderungen wird auf die einschlägige raumordnungsrechtliche Kommentarliteratur verwiesen.

Neben der Einhaltung allgemeingültiger, grundlegender Vorgaben an Festlegungen kommt im Bereich der Kli­maanpassung zwei Anforderungen eine herausgehobene Bedeutung zu. Dies sind zum einen die Kompetenzen und Grenzen der Raumordnung, die sich aus der hoheitlichen Aufgabe der Raumordnung ergeben, sowie zum ande­ren der Vorsorgeauftrag der Raumordnung. Außerdem hat durch aktuelle Entscheidungen der Obergerichte die Berücksichtigung privater Belange in der planerischen Ab­wägung einen erheblichen Bedeutungszuwachs erhalten. Dies wird im Folgenden näher beleuchtet.

Zur Berücksichtigung privater Belange und zur Normenkontrolle gegen Regionalpläne

Durch jüngere Entscheidungen des Bundesverwaltungsge­richts (BVerwG) und anderer Oberverwaltungsgerichte hat die Berücksichtigung privater Belange in der planerischen Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG erheblich und in bestimmten Fallgestaltungen grundlegend an Bedeutung gewonnen.

Drei Fallgruppen sind zu unterscheiden:

  1. Die erste Fallgruppe betrifft die Personen des Privat­rechts, deren Grundstücke im räumlichen Geltungs­bereich einer Zielfestlegung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB liegen. Hier müssen die privaten Belange, soweit sie auf der Ebene der Regional-planung erkennbar und von Bedeutung sind, gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG abschließend abgewogen werden. Auf eine konkrete Nutzungsabsicht des Grundeigen­tümers kommt es dabei nicht an. Der Grund für diese Anforderung ergibt sich daraus, dass das BVerwG § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB als echte Raumord­nungsklausel anerkannt hat. Danach dürfen raum­bedeutsame Vorhaben den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Als echter Raumordnungsklausel kommt der Vorschrift eine strikte Bindungswirkung für Ziele der Raumordnung zu; eine nachvollziehende Abwägung im Vorhaben-Genehmigungsverfahren mit privaten Belangen ist nicht mehr möglich und zulässig. Die Festlegung von Zielen der Raumordnung wirkt insoweit bereits als Inhalts- und Schrankenbe­stimmung des Grundeigentums und schränkt die im Außenbereich nach § 35 BauGB grundsätzlich mögli­chen Nutzungsbefugnisse ein. Die Planungsträger der Regionalplanung können dabei allerdings berücksich­tigen, dass die Nutzungsmöglichkeiten im Außenbe­reich nicht die in § 42 BauGB vorausgesetzte Qualität einer eigentumsrechtlichen Rechtsposition aufweisen, sondern dem Vorbehalt der Beeinträchtigung oder dem Entgegenstehen öffentlicher Belange unterliegen.
  2. Die zweite Fallgruppe betrifft im Rahmen der Anwen­dung des Planvorbehalts nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Vorhabenträger oder sonstige Berechtigte, die konkrete Nutzungsabsichten haben und denen vom Grundeigen­tümer zivilrechtliche Nutzungsbefugnisse eingeräumt worden sind. Hier sind die privaten Belange, soweit sie auf der Ebene der Regionalplanung erkennbar und von Bedeutung sind, gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG entspre­chend den Vorgaben aus der ersten Fallgruppe konkret und abschließend abzuwägen.
  3. Zur dritten Fallgruppe gehören alle sonstigen priva­ten Belange, die in die Abwägung einzustellen sind, sofern und soweit sie für die Ebene der Regionalpla­nung Bedeutung haben sowie mehr als geringwertig, schutzwürdig, nicht mit einem Makel behaftet und für den Planer erkennbar sind. In dieser Fallgruppe steht dem Planungsträger der Regionalplanung – wegen der Aufgabe der Raumordnung und ihrem Rahmencharak­ter – die Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung der privaten Belange als Gruppenbelange zu. Eine kleinteilige und individuelle Zusammenstellung – wie zum Beispiel auf der Ebene der Bauleitplanung – ist in diesen Fällen in der Regel nicht erforderlich. Eine Aus­nahme besteht allerdings dann, wenn auf der nachfol­genden Planungs- oder Zulassungsebene die kleintei­ligen privaten Belange nicht zu prüfen sind oder nicht mehr geprüft werden können.

Vor diesem Hintergrund hat die obergerichtliche Recht­sprechung die Normenkontrolle gegen Regionalpläne ge­mäß § 47 VwGO für Personen des Privatrechts grundsätz­lich eröffnet. Eine Antragsbefugnis besteht erstens für die Personen des Privatrechts, deren Grundstücke im räumli­chen Geltungsbereich einer Zielfestlegung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB liegen, zweitens für Vorhabenträger oder sonstige Berechtigte, die konkrete Nutzungsabsichten und lediglich zivilrechtliche Nutzungs­befugnisse haben und drittens für sonstige Planbetroffene, wenn diese in abwägungserheblichen Belangen im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG und damit in ihrem Recht auf gerechte Abwägung betroffen sein können. Eine Antragsbe­fugnis ist nur dann ausgeschlossen, wenn eine Verletzung des Abwägungsgebots offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis sind die Träger der Regionalplanung gehalten, der Abwägung der privaten Belange der Grundeigentümer, sonstiger zivilrechtlich befugter Vorhabenträger sowie sonstiger Planbetroffener mit entsprechender Sorgfalt vor­zunehmen, soweit sie auf der Ebene der Regionalplanung erkennbar und von Bedeutung sind.

Kompetenzen und Grenzen der Raumordnung

Die hoheitliche Aufgabe der Raumordnung beinhaltet nach dem GG die zusammenfassende, überörtliche und fach­übergreifende Planung und Ordnung des Raums. Sie er­mächtigt zu Festlegungen und begrenzt diese zugleich nach Gegenstand und Reichweite. Diese Vorgaben sind auch bei Festlegungen zur Klimaanpassung strikt zu beachten. Die räumlichen Erfordernisse des Klimas sind ferner in § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 1, 5, 7 und 8 ROG als gesetzliche Grundsätze der Raumordnung niedergelegt. Festlegungen, die auf diesen gesetzlichen Grundsätzen der Raumordnung beruhen, hal­ten den Kompetenztitel der Raumordnung im Grundsatz ein im Einzelnen.

Die gesetzlichen Grundsätze der Raumordnung zum Klima reichen von dessen Funktionsfähigkeit über den Klima­schutz und die Klimaanpassung bis zur Berücksichtigung der Wechselwirkungen. § 8 Abs. 5 ROG bestimmt ferner, dass die Raumordnungspläne Festlegungen zur Raum­struktur einschließlich der anzustrebenden Freiraum­struktur enthalten sollen. Die gesetzlichen Grundsätze der Raumordnung und die Vorgaben zu den Planinhalten beruhen auf der Erkenntnis, dass der Klimawandel und vor allem die Folgen der klimatischen Veränderungen die räumliche Entwicklung Deutschlands wesentlich be­einflussen (werden). Der Bundesgesetzgeber hat mit der Aufnahme der räumlichen Erfordernisse des Klimas in § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG die Vorstellung verbunden, dass Festle­gungen, die auf den gesetzlichen Grundsätzen und auf den vorgegebenen Planinhalten beruhen, zum Kompetenztitel der Raumordnung gehören.

Es ist damit (auch und vor allem) Aufgabe der Regional­planung, entsprechende Festlegungen zu treffen und die durch das Klima, den Klimaschutz, die Klimaanpassung hervorgerufenen Konflikte und deren Wechselwirkungen zu beachten. Bei den Regelungen in den §§ 2 und 8 ROG handelt es sich nicht um einen abschließenden Katalog, sondern um beispielhafte Aufzählungen, was nicht zuletzt daraus ersichtlich wird, dass für die anzustrebende Frei­raumstruktur im ROG nur beispielhaft der Freiraumschutz, die Sanierung und Entwicklung von Raumfunktionen sowie die Freiräume zur Gewährleistung des Vorbeugenden Hochwasserschutzes aufgezählt werden.

Festlegungen in Regionalplänen, die die räumlichen Erfordernisse des Klimas aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 1, 5, 7 und 8 ROG betreffen, gehören demnach zum Kompetenztitel der Raumordnung, wenn bei ihrer Aufstellung außerdem die Grenzen strikt beachtet wurden, die der hoheitlichen Aufgabe der Raumordnung gezogen sind. Die hoheitliche Aufgabe der Raumordnung beinhaltet die zusammenfas­sende, überörtliche und fachübergreifende Planung und Ordnung des Raums. Demgemäß bestimmt § 1 Abs. 1 ROG als Aufgabe der Raumordnung die Entwicklung und Ord­nung des Gesamtraums der Bundesrepublik Deutschland und seiner Teilräume durch zusammenfassende, überörtli­che und fachübergreifende Raumordnungspläne.

Die Begriffe „zusammenfassend“, „überörtlich“ und „fach­übergreifend“ dienen ferner dazu, verschiedene Kompeten­zen abzugrenzen. Dies betrifft die Abgrenzung der Raum­ordnung zur örtlichen Gesamtplanung mit der nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und die Abgrenzung der Raumordnung zu den Fachplanungen, die mit eigenen Kompetenzen versehen sind.

Festlegungen in Regionalplänen müssen die Aufgabe einer zusammenfassenden Planung erfüllen. Zusammenfassend bedeutet, dass im Regionalplan die erforderlichen raumbe­deutsamen Nutzungs- und Schutzfunktionen mit ihren er­möglichenden und abwehrenden Inhalten auf der regiona­len Planungsebene zusammengeführt werden. Ergebnis der Zusammenführung muss ein gesamträumliches Plankon­zept mit einem abwägungsgerechten Interessenausgleich sein. Das bedeutet für den Teilbereich der Klimaanpassung, dass deren raumordnerischen Belange mit den Belangen des bislang bestehenden gesamträumlichen Konzepts abzuwägen und entsprechende Festlegungen dem gesam­träumlichen Konzept hinzuzufügen sind.

Die Aufgabe der überörtlichen Planung und Ordnung gibt vor, dass in Regionalplänen (nur) raumbedeutsame Festlegungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG getrof­fen werden dürfen. Das Merkmal „überörtlich“ dient der kompetenzrechtlichen Abgrenzung der Raumordnung zur örtlichen Gesamtplanung mit der nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und ist sorgfältig zu handhaben. Im Grundsatz gilt für die Abgrenzung einerseits, dass die in § 1 Abs. 1 ROG bestimm­ten Aufgaben und die in § 2 ROG geregelten gesetzlichen Grundsätze der Raumordnung überörtliche und damit auch übergeordnete Aufgaben sind. Andererseits erfolgt die örtliche Gesamtplanung vor allem durch das im BauGB abschließend geregelte Bodenrecht, das auf Art 74 Abs. 1 Nr. 18 GG beruht. Alle im BauGB geregelten Gegenstände sind örtliche Angelegenheiten. Gegenstand einer regional­planerischen Festlegung kann und darf danach nicht sein, was zum Regelungsbereich des BauGB und damit nach dem Planungssystem der nachfolgenden örtlichen Ebene zugewiesen ist. Dies würde zum Beispiel für die Festlegung von Gebieten zur Neuanlage von Grünflächen oder Wald auf Brach- oder Siedlungsflächen gelten, wenn deren kli­matische Wirkungen räumlich und/oder funktional auf die unmittelbare Umgebung begrenzt sind und sie damit nur örtliche Auswirkungen haben. Entsprechende Festlegungen wären dann allein Aufgabe der örtlichen Gesamtplanung.

Trotz dieser an sich klaren Abgrenzung gibt es zwischen der überörtlichen und der örtlichen Planungsebene Konflikt­fälle, weil das mehrstufige Planungssystem denselben (Planungs-) Raum umfasst und weil sich zwischen überört­lichen und örtlichen Aufgaben Überschneidungsbereiche ergeben können.

Zur Lösung dieser Konfliktfälle gelten vor allem die folgen­den beiden Grundsätze:

  • Festlegungen müssen einen überörtlichen Inhalt und Charakter haben. Der Begriff der Überörtlichkeit ist dabei entweder räumlich und/oder funktional zu bestimmen. Bei der räumlichen Bestimmung muss die Festlegung räumlich über das Gebiet einer Gemein­de hinausgehen und ist in diesem Sinne überörtlich. Von höherer praktischer Relevanz ist die funktionale Bestimmung, da mit ihr Festlegungen einhergehen können, die nur ein Teilgebiet eines Gemeindegebiets betreffen. Eine überörtliche Bedeutung liegt hier in zwei Fallgruppen vor: zum einen, wenn mit der Festlegung raumbedeutsame oder raumbeeinflus­sende Auswirkungen verbunden sind, die über das betroffene Gemeindegebiet hinausgehen, zum anderen, wenn Raumfunktionen wegen Lagevorteilen und/ oder Standortbedingungen gesichert werden. Beispiele für eine überörtliche Bedeutung sind die Festlegung von Gebieten zur Freihaltung von Kaltluftschneisen zwischen zwei Gemeinden oder von Kaltluftentste­hungsgebieten mit abkühlenden Wirkungen auch für Nachbargemeinden. Gebiete zur Sicherung von Flächen für den Deichbau haben wegen der erforderlichen Standortbedingungen und wegen einer gemeindeüber­greifenden Schutzfunktion in der Regel einen überört­lichen Charakter.
  • Ferner dürfen die Festlegungen in der Regel nur eine Rahmenvorgabe beinhalten, die der nachfolgenden örtlichen Planungsebene einen hinreichenden Kon­kretisierungsspielraum belässt. Dabei können auch gebiets- oder sogar parzellenscharfe Festlegungen zulässige Eingriffe in die gemeindliche Selbstverwal­tungsgarantie sein, da diese nach Art. 28 Abs. 2 GG unter einem Gesetzesvorbehalt gewährt wird. Für einen zulässigen Eingriff bedarf es allerdings der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anhand konkreter Gegebenheiten. Hierfür gilt nach der höchstrichterli­chen Rechtsprechung:
    • Es müssen sachliche, überörtliche und raumbedeut­same Gründe für die Festlegungen bestehen.
    • Die überörtlichen Belange haben ein höheres Ge­wicht als die örtlichen Belange.
    • Die Einschränkungen dürfen nur einzelne Gemein­den betreffen.
    • Die Rahmenvorgabe ist für die Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet.
    • Es gibt kein milderes Mittel.
    • Das Verhältnis von Zweck und Eingriff ist insgesamt angemessen.

Die Aufgabe der fachübergreifenden Planung und Ordnung erfordert, dass eine Abstimmung der fachlichen Ansprüche an den Raum erfolgt und im Ergebnis ein integrierender Regionalplan aufgestellt wird. Das Merkmal fachüber­greifend dient der kompetenzrechtlichen Abgrenzung der Raumordnung zu den Fachplanungen und ist wegen der im GG vorgenommenen Kompetenzverteilung betreffend die Fachaufgaben und wegen des in Art. 65 Satz 2 GG enthal­tenen Ressortprinzips zu den (Fach-) Ministerien ebenfalls sorgfältig zu handhaben.

Im Verhältnis der fachübergreifenden Planung zur Fach­planung gilt grundsätzlich eine Gleichordnung. Damit besteht ein Unterschied zum Verhältnis von der überörtlichen Planung zur örtlichen Planung, das eine Übergeord­netheit kennzeichnet. Die Fachplanungen haben gemäß den Fachgesetzen ihre Fachaufgaben zu erfüllen. Die Regionalplanung hat als zusammenfassende fachübergreifende Planung eine Koordinierungs-, Strukturierungs- und Sicherungsfunktion wahrzunehmen. Die Koordinierungs- und Strukturierungsfunktion bedeutet dabei, die verschiedenen Raumansprüche der Fachplanungen des Bundes und der Länder abwägungsgerecht aufeinander abzustimmen und planerische Konflikte auszugleichen. Die Sicherungsfunk­tion dient der Sicherung fachplanerischer Raumansprüche durch Festlegungen im Regionalplan und vor dem Zugriff durch andere Raumnutzungen oder -funktionen.

Zwischen der Raumordnung und der jeweiligen Fachauf­gabe besteht demnach eine arbeitsteilige Aufgabenstruktur mit Verschränkung der aufgabenspezifischen Kompeten­zen und Gestaltungsspielräume. Im Ergebnis handelt es sich um zwei sich überschneidende Aufgabenkreise mit dem Planungsträger der Regionalplanung auf der einen und dem jeweiligen Fachplanungsträger auf der anderen Seite. Diese Überschneidungsbereiche und der Umstand, dass das mehrstufige Planungssystem wiederum denselben (Planungs-) Raum umfasst, ergeben auch hier Konfliktfälle.

Zur Lösung dieser Konfliktfälle gelten vor allem die folgen­den Grundsätze:

Für die Abgrenzung der Kompetenz der Regionalplanung zur Kompetenz der (vorhandenen) Fachplanungen gilt, dass die Regionalplanung aus den Vorgaben und Erforder­nissen der Fachplanungen in der planerischen Abwägung ein gesamträumliches Plankonzept mit Festlegungen zu entwickeln und zu sichern hat. Die Regionalplanung hat dabei zu beachten, dass sie im Regelfall keine Kompetenz besitzt, in ihrem Gewande die Inhalte eines Fachplans zu regeln und/oder die Fachplanung zu ersetzen (Grundsatz der unzulässigen Ersatzvornahme und Wahrung eines hinreichenden Planungsspielraums für Fachplanung). Dies gilt zum Beispiel im Verhältnis der Regionalplanung zur Fachplanung der Wasserwirtschaft. Die Regionalplanung kann die Flächen der Überschwemmungsgebiete durch Vorranggebiete sichern und fachübergreifende Voraus­setzungen für raumverträgliche Ausnahmen regeln, nicht jedoch – ersatzweise – den Inhalt einschließlich der Detail­regelungen einer Überschwemmungsgebietsverordnung. Letzteres gehört zu der Fachaufgabe, die die Wasserwirt­schaft zu erfüllen hat.

Diese Grundsätze werden durch verschiedene Ausnahmen durchbrochen:

  • Eine erste Ausnahme gilt für den Fall, dass für eine bestimmte oder neue Fachaufgabe (noch) keine Fach­planung gesetzlich geregelt worden ist. Dies ist zum Beispiel für die standortgebundenen Rohstoffe außer­halb des Bundesberggesetzes (BbergG) der Fall, ebenso wie für Teile eines sogenannten Klimaschutzrechts und für das Klimaanpassungsrecht. In diesen Fällen hat die Regionalplanung die Belange der Fachaufgabe, soweit sie für die fachübergreifende Planung abwägungser­heblich sind, zu erheben und gemäß der planerischen (Gesamt-) Abwägung entsprechende Festlegungen in das gesamträumliche Konzept aufzunehmen. Die Regionalplanung erfüllt insoweit eine Auffangfunktion.
  • Eine entsprechende Ausnahme gilt ferner für Fälle einer bereits gesetzlich geregelten Fachplanung, wenn von der Fachplanung für den Planungsraum noch kein Gebrauch gemacht worden ist oder die Fachplanung veraltet beziehungsweise überholt ist. In beiden Fällen fehlen fachliche Vorgaben und/oder Erfordernisse für die Regionalplanung.

Schließlich besteht für einen Sonderfall eine Gegenaus­nahme zur Koordinierungs- und Strukturierungsfunktion der Regionalplanung. Der Sonderfall betrifft die Wahrneh­mung einer Fachplanung unmittelbar durch Gesetz des Bundes- oder Landesgesetzgebers, wie zum Beispiel bei der Bedarfsplanung für Verkehrsinfrastrukturvorhaben. Im Falle einer gesetzlichen Fachplanung im Bereich des Klimaschutzrechts und/oder des Klimaanpassungsrechts sind dieser Fachplanung widerstreitende Festlegungen in Regionalplänen unzulässig. Möglich wären jedoch Festle­gungen im Einklang mit der Fachplanung, die Standorte oder Trassen sichern. Aufgrund der Sicherungsfunktion wäre es im Sinne einer Standort- oder Trassenfreihal­tung ferner möglich, eine gemäß der fachübergreifenden Planung raumverträglichere Lösung zu sichern. Solche Festlegungen hätten allerdings keine Bindungswirkung gegenüber dem Bundes- oder Landesgesetzgeber, sondern nur gegenüber Trägern anderer raumbedeutsamer Planun­gen und Maßnahmen.

Der Vorsorgeauftrag der Raumordnung

Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG geregelte Vorsorgeauftrag besagt, dass „Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funk­tionen des Raums zu treffen“ ist. Der Vorsorgeauftrag ist von herausgehobener Bedeutung für eine Bewältigung der durch den Klimaschutz und die Klimaanpassung entstan­denen und entstehenden Aufgaben sowie deren Wechsel­wirkungen und der damit verbundenen Konflikte. Der Vor­sorgeauftrag beruht auf dem Vorsorgegrundsatz, der (auch) bei Bestehen von Ungewissheiten staatliche, präventive Eingriffe rechtfertigt. In der Folge wird die Schwelle des Erforderlichkeitsgebots herabgesetzt, wenn andererseits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung des Abwägungsgebots gewahrt bleibt. Bei der Anwendung des Vorsorgegrundsatzes und des Abwägungsgebots kommt der Plangeber außerdem nicht um die Verwendung von Einschätzungen und Prognosen herum. Für die Erarbei­tung der Einschätzungen und Prognosen ist einerseits die Beweislastschwelle herabgesetzt und wird dem Plangeber eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Ein­schätzungsprärogative zugestanden. Andererseits sind die Grenzen einer eingeräumten Einschätzungsprärogative zu beachten.

Im Einzelnen:

Der Vorsorgeauftrag verlangt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG, dass Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funkti­onen des Raums zu treffen ist. Gegenstand des Vorsorge­auftrags ist also die vorsorgende Sicherung eines (späteren) Raumbedarfs für einzelne Raumfunktionen und -nutzungen, wie Schutz vor (weiterer) Verbauung und vor Siedlungsentwicklung oder die Sicherung von Trassen, Standorten, Gebieten und Funktionen. Er kommt in der Re­gel dann zum Tragen, wenn einer Fachplanung vorlaufende Sicherungsinstrumente fehlen. Bislang war und ist dies zum Beispiel bei der Rohstoffsicherung, im Bereich von Natur und Landschaft, beim Bodenschutz sowie im Bereich des Schutzes von Grundwasservorkommen der Fall. Im Teilbereich Klimaanpassung kommen alle Handlungsfelder für eine Vorsorge in Betracht. Als Beispiele für einen Schutz vor Siedlungsentwicklung ist der Raumbedarf für die Rück­verlegung von Deichen oder für die Ausdehnung von Über­schwemmungsflächen zu nennen. Ein weiteres Beispiel könnten solche Flächen sein, denen in hoch verdichteten Räumen eine raumbedeutsame Funktion für die Kaltluft­entstehung und Abkühlung einer Stadtregion zukommt. Ein Beispiel für einen Schutz vor (weiterer) Verbauung sind Flächen mit steigendem Grundwasserspiegel, insbesondere Polderflächen, wenn das Grundwasser absehbar nicht mehr wirtschaftlich abgepumpt und bauliche Anlagen nicht mehr geschützt werden können. In Kombination mit dem Bereich von Natur und Landschaft ist schließlich vorstell­bar, dass für eine zu erwartende künftige Wanderung von Flora und Fauna Trassen im Sinne eines Biotopverbundsys­tems gesichert werden.

Die herausgehobene Bedeutung des Vorsorgeauftrags für die räumlichen Erfordernisse des Klimas ergibt sich aus zwei Gründen: Einerseits gibt es kein Klima-Fachrecht, andererseits ist die Wahrnehmung des Aufgabenbereichs mit einer Bandbreite an Ungewissheiten verbunden. Für das querschnittsorientierte Fachgebiet Klima fehlt ein umfassend geregeltes Klima-Fachrecht mit eigenständiger Fachplanung. Nur für Teilgebiete, zum Beispiel das Was­serrecht, sind für einzelne Handlungsfelder zu einzelnen Punkten Fachplanungen vorhanden, wie für den Deich-und Küstenschutzbau, den Hochwasserschutz oder die wasserwirtschaftliche Planung. Demgemäß fehlen in der Regel (noch) fachgesetzliche oder fachplanerische Bedarfs­feststellungen. Der Regionalplanung kommt in diesen Fällen innerhalb der arbeitsteiligen Aufgabenstruktur von Raumordnung und Fachplanung eine Ergänzungsfunktion zu. Die Raumbedarfe und sonstigen räumlichen Erfor­dernisse des Klimas, des Klimaschutzes und der Klimaan­passung im Sinne von §§ 2 und 8 ROG sind vorsorgend zu sichern, zu ordnen und zu entwickeln. Im Ergebnis werden dadurch nachfolgende Fachplanungen nicht durch zwi­schenzeitlich aufgenommene Raumnutzungen unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert. Dies gilt in besonderer Weise für Raumbedarfe, die standortgebunden sind und für die geeignete Flächen nur begrenzt vorhanden oder noch verfügbar sind. Als Beispiele kommen hierfür (wiederum) Flächen für den Küsten-, Grundwasser- und Hochwasser­schutz sowie raumbedeutsame Kaltluftentstehungsgebiete und Kaltluftschneisen in Betracht.

Neben dieser Ergänzungs- ist auch die Rechtfertigungs­funktion des Vorsorgeauftrags der Raumordnung hier von großer Bedeutung. Der Vorsorgeauftrag baut auf dem Vorsorgegrundsatz auf und erleichtert die Wahrnehmung der Aufgaben im Fachgebiet Klima, Klimaschutz und Klimaanpassung. Der Vorsorgegrundsatz ist zuerst im deutschen Umweltrecht (§§ 1 und 5 Abs. 1 Nr. 2 Bundes- Immissionsschutzgesetz – BImSchG) entwickelt worden. Durch seine Aufnahme in den Grundsatz 15 der „Rio-Erklä­rung über Umwelt und Entwicklung“ hat er Eingang in das internationale Recht gefunden. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) ist der Vorsorgegrund­satz – auf der Grundlage von Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – zu einem allgemeinen Grundsatz im Gemeinschaftsrecht fortentwickelt worden, dem auch eine Ermächtigungs- und Legitimationsgrundlage zuerkannt wird.

Der Vorsorgegrundsatz besagt, dass staatliche Eingriffe und/oder staatliches präventives Handeln (auch) bei Unge­wissheiten über den Eintritt eines Ereignisses beziehungs­weise Schadens gerechtfertigt sein können. Im Vergleich mit der (ordnungsrechtlichen) Gefahrenabwehr ist die Eingriffsschwelle abgesenkt: Es bedarf keiner hinreichen­den Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Danach können im Sinne von Vorsorgemaßnahmen Handlungs-und Nutzungsfreiräume offen gehalten werden, wenn über die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts oder dessen Ausmaß wissenschaftliche und/oder technische Unge­wissheiten oder einzelne Unsicherheitsfaktoren bestehen. Dies schließt auch den Umstand ein, dass sich – wie bei den Folgen des Klimawandels – die Ausgangslage noch in die eine oder andere Richtung entwickeln kann. Festlegungen können danach auch dann getroffen werden, wenn nur po­tenzielle Gefahren bestehen oder sogar nur ein generelles Besorgnispotenzial. Es genügt, dass auf der Grundlage eines sach- und fachgerecht ermittelten Sachverhalts mögliche Ereignisse oder Schäden nur deshalb nicht ausgeschlossen werden können, weil nach dem gegenwärtigen Erkenntnis­stand in Wissenschaft und Forschung bestimmte Ursa­chenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können. Die Einordnung eines ungewissen Ursachenzu­sammenhangs als generelles Besorgnispotenzial oder als potenzielle Gefahr oder als (ordnungsrechtliche) Gefahr bemisst sich nach dem Erkenntnisstand über den Wahr­scheinlichkeitsgrad des Eintritts eines Ereignisses oder Schadens. Als Ausgleich für die Absenkung der Eingriffs­schwelle ist in diesen Fallgestaltungen sorgfältig darauf zu achten, dass die Festlegungen nach Art und Umfang verhältnismäßig sind.

Damit ermöglicht und erleichtert der Vorsorgegrundsatz auch und gerade im Fachgebiet Klima, Klimaschutz und Klimaanpassung die Erfüllung des Vorsorgeauftrags der Raumordnung durch die Aufstellung von Festlegungen. Einerseits ist ein vorsorgender Handlungsbedarf hierfür aktuell erkennbar, andererseits ist die Wahrnehmung der Aufgaben in diesem Fachgebiet mit einer Bandbreite an Ungewissheiten und einzelnen Unsicherheitsfaktoren verbunden. Trotz des Bestehens von Ungewissheiten in Verbindung mit aufgestellten Festlegungen können staatliche präventive Eingriffe gerechtfertigt sein. Liegen die vorgenannten Ungewissheiten oder einzelne Unsi­cherheitsfaktoren vor, ist für präventive Festlegungen in Regionalplänen einerseits die Schwelle des Erforderlich­keitsgebots in § 2 Abs. 1 ROG herabgesetzt und müssen die Festlegungen andererseits den Verhältnismäßigkeitsgrund­satz in der Ausprägung des Abwägungsgebots nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG wahren.

Die Schwelle des Erforderlichkeitsgebots ist im Rahmen des Vorsorgeauftrags herabgesetzt, weil einerseits zwar aktuell Anhaltspunkte für einen Handlungsbedarf bestehen, ande­rerseits aber Unsicherheitsfaktoren in Prognosen über die Entwicklung des Klimas und die Folgen des Klimawandels bestehen. Die Herabsetzung bedeutet, dass für Festlegung-en in Regionalplänen unter diesen Umständen keine fachliche Bedarfsplanung vorhanden sein muss.

Das Erforderlichkeitsgebot ist gewahrt, wenn zwei Voraus­setzungen eingehalten werden: Erstens darf die Festlegung nicht gegen den ausdrücklichen Willen eines – sofern vorhandenen – Fachplanungsträgers erfolgen; zweitens genügt es, wenn mittel- oder langfristig eine Chance auf Verwirklichung der Festlegung, sei es als Raumfunktion oder -nutzung, besteht. Einer Verwirklichung in absehbarer Zeit bedarf es schon deshalb nicht, weil es nach dem Sinn und Zweck der Aufgabe um die vorsorgende Sicherung ei­nes späteren Raumbedarfs geht. Das Erforderlichkeitsgebot kann also bereits eingehalten sein, wenn eine Deichrück­verlegung oder eine (Wieder-) Aufforstung von Flächen gesichert und vorbereitet werden soll.

Kehrseite der herabgesetzten Erforderlichkeitsschwelle ist, dass für die Träger der Regionalplanung erhöhte Überprü­fungs- und Anpassungspflichten bestehen. Ein einmal ge­fundenes Planungsergebnis ist „unter Kontrolle zu halten“. Demgemäß sind einmal getroffene Festlegungen bei nächs­ter Gelegenheit anzupassen oder aufzuheben, wenn der die Festlegung tragende Grund nachträglich weggefallen oder die Festlegung ausnahmsweise sogar funktionslos gewor­den ist. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn ein Fachpla­nungsträger die vorsorgend gesicherte Raumfunktionen oder -nutzungen aufgibt. Entsprechendes gilt, wenn sich der vorsorgende Sicherungszweck durch fortschreitende Erkenntnisgewinne, neue Umstände oder durch eine ande­re Entwicklung des Klimas oder der Folgen des Klimawan­dels wesentlich geändert hat oder vollständig entfallen ist. Neben einer Anpassung oder Aufhebung einer Festlegung in den vorgenannten Fällen im Rahmen einer regulären Fortschreibung des Regionalplans kann bei Vorliegen eines Ziels der Raumordnung auch – in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls – ein Zieländerungsverfahren oder ein Zielabweichungsverfahren in Betracht kommen und durchgeführt werden (müssen). Abhängig sind die be­nannten Handlungen von den Umständen des Einzelfalls. Handelt es sich um einen Grundsatz der Raumordnung, kann er im Fall der Fälle dann in der erforderlichen Abwä­gungsentscheidung leichter zurück gestellt werden.

Schließlich müssen die präventiven Festlegungen in Regionalplänen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung des Abwägungsgebots wahren. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind die erheblichen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander (bei Zielen der Raumordnung: abschließend) abzuwägen, die auf der Ebe­ne der Regionalplanung erkennbar sind. Das bedeutet, dass am Ende des Planungsprozesses in der Entscheidung über den Regionalplan alle entsprechend entscheidungserheb­lichen Belange zu berücksichtigen sind. Nach allgemeiner Auffassung ist dazu der Sachverhalt unter Ausschöpfung aller sich aufdrängenden Erkenntnisquellen soweit voll­ständig und zutreffend zu ermitteln und zu bewerten, dass die von der planerischen Festlegung berührten öffentli­chen und privaten Belange fehlerfrei abgewogen werden können.

Zu den entscheidungserheblichen Belangen zählen unter anderem alle äußeren Belange des konkreten Planfalls. Dies sind zum Beispiel alle Umstände in Bezug auf eine Standortgebundenheit und/oder Lagegunst für eine Raum­nutzung und/oder -funktion sowie eine endliche oder begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Flächen.

Zur Natur planerischer Entscheidungen gehört außerdem, dass künftige Raumnutzungen und -funktionen festge­legt werden und dass Entscheidungen für die Zukunft mit Ungewissheiten verbunden sind. Die Plangeber sind deshalb für eine vollständige und zutreffende Ermittlung und Bewertung der entscheidungserheblichen Belange auf die Erarbeitung und Verwendung gutachterlicher Einschätzungen und Prognosen angewiesen. Dies gilt im Besonderen bei der Bewältigung des Aufgabenbereichs Klima, Klimaschutz, Klimaanpassung und deren Wechsel­wirkungen und Folgen. Denn hier gehören zur Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts auch und vor allem eine Ermittlung und Bewertung genereller Besorgnispotenzi­ale oder potenzieller Gefahren in Bezug auf die jeweiligen Schutzgüter in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts eines Ereignisses oder Schadens.

Einschätzungen und Prognosen

Für die Erarbeitung der Einschätzungen und Prognosen ist die Beweislastschwelle herabgesetzt und es wird dem Plangeber eine Einschätzungsprärogative zugestanden.

Die Beweislastschwelle ist dadurch herabgesetzt, dass Festlegungen in den Regionalplänen auch dann getroffen werden können, wenn zu den ermittelten und bewerte­ten generellen Besorgnispotenzialen oder potenziellen Gefahren in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts eines Ereignisses oder Schadens keine ausreichenden oder unklare Beweise vorliegen oder wenn die Ermittlungen und Bewertungen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zulassen.

Die dem Plangeber zugestandene Einschätzungspräroga­tive hat zwei Wirkungen: Sie bedeutet auf der einen Seite, dass die Gerichte – obwohl der Grundsatz der Gesetzmä­ßigkeit der Verwaltung weiter Geltung beansprucht – den Plangebern unter bestimmten Voraussetzungen einen (Einschätzungs-) Vorrang beziehungsweise ein Vorrecht bei der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts ein­schließlich genereller Besorgnispotenziale oder potenziel­ler Gefahren in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über Wahrscheinlichkeitsgrade einräumen. Folge und Kehrseite der zugestandenen Einschätzungsprärogative ist, dass die gerichtliche Kontrolle auf die Einhaltung der Vorausset­zungen und Grenzen der eingeräumten Einschätzungsprä­rogative beschränkt ist.

Die Gewährung einer Einschätzungsprärogative ist aner­kannt, wenn und soweit normkonkretisierende Maßstäbe wie Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvor­schriften nicht vorhanden sind sowie wenn und soweit (noch) kein allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft vorliegt. Unter diesen Umständen muss eine Einschätzung und Prognose unter ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien vorgenommen werden, wobei dem Plangeber – auf Grund fehlender eindeutiger Erkenntnisse – ein Einschätzungsvorrang, das heißt ein Spielraum sowohl für die Ermittlung von Betroffenheiten als auch für deren Bewertung, eingeräumt wird. Entsprechendes muss im Bereich der Bewältigung der Folgen des Klimawandels für die Ermittlung und Bewertung genereller Besorgnispoten­ziale oder potenzieller Gefahren in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über Wahrscheinlichkeitsgrade gelten.

Für die Einhaltung der Einschätzungsprärogative sind vom Plangeber neben den vorgenannten Voraussetzungen vier Grenzen zu beachten, die von den Gerichten im Fall der Anrufung kontrolliert werden:

  • Erstens ist das im konkreten Planfall gebotene empi­rische Material heranzuziehen. Für eine zutreffende Ermittlung des Sachverhalts ist die beste verfügbare Wissensgrundlage zu verwenden und für eine vollstän­dige Ermittlung sind alle dem Plangeber zugänglichen und/oder sich aufdrängenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen.
  • Zweitens dürfen keine aus fachlicher Sicht unzulängli­chen oder ungeeigneten Bewertungsverfahren verwen­det werden.
  • Drittens muss die vorgenommene Bewertung der Be­lange fachlich vertretbar und widerspruchsfrei sein.
  • Und viertens ist im Falle einer Planfortschreibung zu ermitteln und zu prüfen, ob inzwischen wissen­schaftlich eindeutige Erkenntnisse vorliegen, die die weitere Anwendung der Einschätzungsprärogative ausschließen. In einem solchen Fall ist erforderlich, die wissenschaftlich eindeutigen Erkenntnisse und/oder daraufhin erlassene normkonkretisierende Maßstäbe anzuwenden und die bisher getroffenen Festlegungen auf ihre Fortschreibung oder Änderung zu überprüfen. Die Einschätzungsprärogative hat insoweit einen dyna­mischen Charakter.

Dieser dynamische Charakter der Einschätzungsprärogati­ve gilt auch in einem laufenden Planverfahren zur Aufstel­lung oder Fortschreibung eines Regionalplans, weil nach § 12 Abs. 3 ROG für die Abwägung nach § 7 Abs. 2 ROG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Raumordnungsplan maßgebend ist. Das bedeu­tet: Verstreicht zwischen der Ermittlung und Bewertung genereller Besorgnispotenziale oder potenzieller Gefahren in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über Wahr­scheinlichkeitsgrade und der Beschlussfassung über den Regionalplan ein längerer Zeitraum und hat sich die beste verfügbare Wissensgrundlage seither maßgeblich geän­dert oder liegen dank fortschreitender wissenschaftlicher Forschungen nun eindeutige(re) Erkenntnisse vor, muss die Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts einschließ­lich der generellen Besorgnispotenziale oder potenzieller Gefahren in Verbindung mit dem Erkenntnisstand über Wahrscheinlichkeitsgrade auf die geänderte Wissensgrund­lage und/oder die eindeutige(re) Erkenntnisse umgestellt werden. Dieser Umstand kann zu erheblichen praktischen Problemen und zeitlichen Verzögerungen beim Abschluss eines Planverfahrens führen, denn Verfahren zur Aufstel­lung oder Fortschreibung eines Regionalplans sind regel­mäßig aufwändig und zeitlich gestreckt.

Abschließende Abwägungsentscheidung

In der abschließenden planerischen Abwägungsentschei­dung über den Regionalplan sind alle entscheidungser­heblichen Belange zu einem angemessenen Interessenaus­gleich zu bringen. Das bedeutet hier auch, dass zwischen der Festlegung zur Vorsorge mit dem staatlichen Eingriff und dem staatlich präventiven Handeln einerseits sowie andererseits der Unsicherheit in Bezug auf die ermittel­ten und bewerteten generellen Besorgnispotenziale oder potenziellen Gefahren in Verbindung mit dem Erkennt­nisstand über Wahrscheinlichkeitsgrade der Risiken ein verhältnismäßiger Interessenausgleich zu schaffen ist. Wegen der bestehenden Ungewissheiten oder einzelner Unsicherheitsfaktoren kann die Eignung des gewählten Mittels und die Güterabwägung zwischen Vorsorge und Eingriff pauschaliert – also ohne kleinteilige und indivi­duelle Zusammenstellung der einzelnen Belange – geprüft werden. Dabei wird der Funktionsfähigkeit des Klimas, dem Klimaschutz und der Klimaanpassung einschließlich der Wechselwirkungen in der Abwägung im Regelfall eine hervorgehobene Bedeutung zukommen.

Unzulässig wäre insoweit nur eine „reine Vorratsplanung“. Eine solche Vorratsplanung würde vorliegen, wenn unter keinem Gesichtspunkt bereits ein Bedarf für eine planeri­sche Festlegung erkennbar wäre. Bei bestehenden Baurech­ten sind ferner die gesetzlichen Wertungen aus §§ 39-44 BauGB und aus § 78 Abs. 2 bis 4 WHG in der Abwägung zu berücksichtigen. Außerdem ist immer auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang zur Schaffung eines angemesse­nen angemesse­nen Interessenausgleichs Ausnahmen von einer Festlegung in Betracht kommen. Die Verwendung von Regel-Ausnah­me-Strukturen gilt im Besonderen bei der Festlegung von Zielen der Raumordnung. Entsprechende Ausnahmetatbe­stände zu Zielen der Raumordnung können als „Öffnungs­klauseln“ geeignet oder sogar geboten sein, angesichts bestehender Ungewissheiten eine (zu) starre Festlegung für Einzelfälle zu vermeiden und einen angemessenen Inter­essenausgleich zu gewährleisten. In diesem Sinne können auch fortschreitende Erkenntnisgewinne oder eingetretene Änderungen bei den eingeschätzten Folgen des Klimawan­dels bei der nachfolgenden Umsetzung des Regionalplans berücksichtigt werden.

Checkliste
Übersicht rechtlicher Grundlagen für Festlegungen zur Klimaanpassung

a) raumordnerische Kompetenz
RaumbedeutsamkeitIst der Bedarf für eine planerische Festlegung erkennbar?
Handelt es sich um einen raumbedeutsamen Belang?
Gesetzliche AufträgeLiegt ein Koordinierungsauftrag vor?
Liegt ein Entwicklungs- und Vorsorgeauftrag aus eigener Kompetenz vor?
Liegt ein Sicherungs- und Vorsorgeauftrag wegen besonderer Lagevorteile/ Standortbedingungen vor?
Besteht eine Kompetenz zur Eigenermittlung von relevanten Daten?
Gibt es keine gesetzlich geregelte Fachplanung zum Tatbestand?
Gibt es kein fachplanerisches Gesamtkonzept mit Bedarfsplanung?
Gibt es nur einen veralteten Fachplan?
Wird der Tatbestand durch die Fachplanung gesetzlich geregelt, aber für den Planungsraum noch nicht wahrgenommen?
b) Einschränkungen der Kompetenz
überörtlichHat die Festlegung einen überörtlichen Inhalt und Charakter gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG?
Beinhaltet die Festlegung eine Rahmenvorgabe, die der nachfolgenden örtlichen Planungsebene einen hinreichenden Konkretisierungsspielraum lässt?
fachübergreifendGrundsatz der unzulässigen Ersatzvornahme:

Die Festlegung ersetzt die Fachplanung nicht vollständig?
Die Festlegung impliziert keinen Vollzug von Fachgesetzen?
Die Festlegung hat keine Inhaltsbestimmung des Eigentums (Bodennutzung)?
Achtung: Gilt nicht bei Raumordnungsklauseln!

Wahrung des hinreichenden Gestaltungsspielraums für die Fachplanung:

Wurden alle relevanten örtlichen Einzelheiten geprüft?
Wurden alle relevanten spezifisch-fachplanerischen Anforderungen geprüft?
Wurden fachplanerische Konfliktlösungskonzepte geprüft?
instrumentellIst die Festlegung ein für RO-Pläne vorgesehener Inhalt nach §§ 2 Abs. 1, 8 ROG?
zulässiger ZieladressatIst der Adressat klar benannt in Form einer anderen öffentlichen Stelle oder einer Person des Privatrechts nach § 4 Abs. 1 ROG für nachfolgende Planung und Entscheidung?
BindungswirkungIst die Festlegung aus raumordnerischer Sicht geeignet?
Beinhaltet die Festlegung eine raumordnerische Vorzugwürdigkeit (Standortvergleich)?
Beinhaltet die Festlegung keine Zulassungs- und Umsetzungspflicht für die Fachplanung?
ErforderlichkeitBestehen Möglichkeiten / rechtliche Instrumente der Fachplanung zur Konfliktbewältigung?
Bestehen Möglichkeiten / rechtliche Instrumente der Fachplanung zur Umsetzbarkeit?
Bei der Festlegung von Zielen: Ist eine Regel-Ausnahme-Struktur (Öffnungsklausel) sachgerecht, angemessen oder notwendig?
BestimmtheitIst die Festlegung klar, eindeutig und widerspruchsfrei formuliert?
Abwägung – öffentliche und private BelangeWurde das im Planfall gebotene empirische Material hinzugezogen?
Wurden in der Abwägung zulängliche und geeignete Bewertungsverfahren angewandt?
Ist die vorgenommene Bewertung der Belange fachlich vertretbar und widerspruchsfrei?
Im Fall der Planfortschreibung: Sind inzwischen wissenschaftlich eindeutige Erkenntnisse erlangt worden, die die Anwendung der Einschätzungsprärogative ausschließen, beschränken oder modifizieren?
Bei der Festlegung von Zielen: Ist eine Regel-Ausnahme-Struktur (Öffnungsklausel) sachgerecht, angemessen oder notwendig?
c) Erweiterung der Kompetenz
echte RaumordnungsklauselnEnthalten Fachgesetze echte Raumordnungsklauseln mit Erweiterung der Festlegungsmöglichkeiten im Vergleich zu b)? (Wie z. B. in § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB, mit der Möglichkeit zur Inhaltsbestimmung des Eigentums in Bezug auf die Bodennutzung)