Planungsprozess

Einbindung der Klimaanpassung in die Fortschreibung des Regionalplans

Auf der Grundlage von leitfadengestützten Interviews mit Mitarbeitern von 13 regionalen Planungsstellen wird im Folgenden zunächst beschrieben, wie Aspekte der Klimaan­passung in den Fortschreibungsprozess des Regionalplans eingebunden wurden. Darauf aufbauend wird ein idealty­pisches Ablaufmodell zur Integration der Klimaanpassung in die Regionalplanerstellung vorgestellt. Das Verständnis des Erstellungsprozesses basiert auf demjenigen von Fürst, das zwischen den sechs Phasen Planvorbereitung und -erstellung, Beteiligung, Planfestlegung und -umsetzung sowie Planungskontrolle unterscheidet. Aufgrund der Fokussierung auf die Fortschreibung des Regionalplans werden die letzten beiden Phasen – Planumsetzung und Planungskontrolle – vernachlässigt.

Sechs Regionen weisen über das Modell von Fürst hinaus­gehende Elemente im Prozess der Regionalplanerstellung auf. Die Ansätze werden in zwei unterschiedlichen Berei­chen als innovativ angesehen. Zum einen greifen sie auf zu­sätzliche Daten zur Klimawandelbetroffenheit zurück. Zum anderen ergänzen sie die formelle Beteiligung umfassend durch partizipative Verfahrensformen. Die innovativen Elemente werden anhand der beiden Fallbeispiele Regio­naler Planungsverband Leipzig-Westsachsen und Verband Region Stuttgart dargestellt.

Regionsinterne Workshops- MittelThüringen (Quelle: HCU)

Regionsinterne Workshops – Austausch als Schlüsselement (Quelle: HCU)

Fallbeispiel Regionaler Planungsverband Leipzig-Westsachsen

Der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen schreibt gegenwärtig seinen Regionalplan fort und hat 2015 einen Vorentwurf veröffentlicht. Im Verbandsgebiet sind die Folgen des Klimawandels bereits spürbar. Neben steigenden Temperaturen und den Defiziten des Wasser­dargebots rückten Hochwasserkatastrophen entlang der drei großen Flüsse Elbe, Mulde und Weiße Elster in den Jahren 2002 und 2013 die Hochwasserthematik besonders in das Blickfeld des Planungsverbands. Zur Integration von Belangen der Klimaanpassung greift der Planungsverband auf die Ergebnisse einer Vulnerabilitätsanalyse zurück. Die Vulnerabilitätsanalyse ist ein Ergebnis des KlimaMORO, an dem der Verband von 2009 bis 2013 beteiligt war, und wird – neben den Daten der Fachplanung – als Datengrundlage für Klimaanpassungsthemen genutzt. Sie informiert über die Betroffenheit durch erwartete Hitzebelastung, Starkre­gen und Hochwasser sowie ein verringertes sommerliches Wasserdargebot.

Planerstellungsprozess Leipzig-Westsachsen (Quelle: eigene Darstellung)

Darüber hinaus werden partizipative Verfahrensformen in den laufenden Planerstellungsprozess integriert, die über das rechtlich erforderliche Maß hinausgehen. Im Vorfeld des Fortschreibungsprozesses erfolgte eine breite Betei­ligung im Rahmen des KlimaMOROs, die unter anderem die Handlungsempfehlungen der Vulnerabilitätsanalyse umfassend behandelte. In der anschließenden Planvorbe­reitungsphase bestanden zusätzlich landesweite Arbeits­gruppen, um den Austausch mit den Fachplanungen zu vertiefen und eine sachsenweit einheitliche Verwendung von Datengrundlagen für die Planfortschreibung zu ermöglichen. Die landesweite Abstimmung erschloss Synergien zwischen den unterschiedlichen sächsischen Planungsverbänden. Im weiteren Planerstellungsprozess ist ein Forum vorgesehen, um das regionale Leitbild weiterzu­entwickeln und es in die Zielvorstellung des Regionalplans einzubeziehen. Ein Austausch mit den Gemeinden erfolgt kontinuierlich in regionalen Aktionsräumen.

Die von der Planungsstelle bisher als konfliktarm wahrge­nommene Einbindung der Handlungsempfehlungen der Vulnerabilitätsanalyse könnte ein Indiz dafür sein, dass Informationen zu den Folgen des Klimawandels und eine informelle Beteiligung an den Handlungsempfehlungen der Vulnerabilitätsanalyse die Akzeptanz von Festlegungen erhöht haben. Die Abbildung ordnet die Erstellung zusätzli­cher Datengrundlagen und die informellen partizipativen Elemente den Phasen der Planerstellung zu.


Fallbeispiel Verband Region Stuttgart

Der aktuelle Regionalplan des Verbands Region Stuttgart ist seit dem Jahr 2009 rechtskräftig. Siedlungsklimatische Belange berücksichtigt die Planung in der Region aufgrund der Lage Stuttgarts in einem Talkessel und daraus resultie­renden stadtklimatischen Belastungen seit Langem. Die zu­nehmende Hitzebelastung steht in einem Zusammenhang mit den lagebedingten Durchlüftungsdefiziten und bildet eine wesentliche Herausforderung in den urban geprägten Gebieten der Region. Um Festlegungen zur Reduktion der Hitzebelastung in den Siedlungsbereichen zu entwickeln, griff der Verband – einmalig in Deutschland – auf Daten eines Klimaatlasses zurück, dessen Erstellung mit eigenen Mitteln finanziert worden war. Der Klimaatlas enthält umfassende Grundlagen-, Ergebnis- und Analysekarten und ermöglicht damit eine rechtssichere Abwägung für klimabezogene Zielausweisungen.

Im Zuge der Regionalplanaufstellung erfolgten drei ergänzende informelle Beteiligungsschritte. Im Vorfeld wurde ein breiter Zukunftsworkshop zur Frage „Quo Vadis Region Stuttgart: In welcher Zukunft wollen wir leben?“ durchgeführt, um die breite Öffentlichkeit zu beteiligen. Die Gemeinden wurden in einem zweiten Schritt über fachliche Informationsveranstaltungen eingebunden. In der Folge wurden Konflikte insbesondere zwischen Frei­raumerfordernissen und gemeindlichen Vorstellungen zur Siedlungsentwicklung identifiziert. Den dritten informel­len Beteiligungsschritt bildete eine Erörterung der heraus­gearbeiteten Positionen und Konflikte mit den Gemeinden vor Ort. Damit wurde das Verständnis für die Bedeutung klimabedeutsamer Freiflächen und von Belangen des Hochwasserschutzes sowie für die daraus resultierenden Festlegungen erhöht.

 

Planerstellungsprozess Verband Region Stuttgart (Quelle: eigene Darstellung)

Das Beispiel der Region Stuttgart zeigt, dass durch eine umfassende Einbindung der betroffenen Bevölkerung und Gemeinden frühzeitig Konflikte durch klimaanpassungs­bezogene Festlegungen identifiziert werden können. Diese konnten im weiteren Verfahren angemessen adressiert und erörtert werden, was möglicherweise die Akzeptanz der Festlegungen erhöht. In der Argumentation des Verban­des hat sich dabei bewährt, dass in der dicht besiedelten Region unter anderem die Freiflächen zwischen einzelnen Ortslagen die lokale Identität stärken. Zudem dient der regionale Klimaatlas als hilfreiche Datengrundlage. Die Abbil­dung ordnet die Erstellung zusätzlicher Datengrundlagen und die informellen partizipativen Elemente der Phase der Planerstellung zu.


Idealtypischer Ablauf zur Einbindung von Klimaanpassungsthemen

Aus der Auswertung der beiden Prozesse lassen sich innovative Elemente für die Planerstellung ableiten, die einerseits zu rechtssicheren und bindenden Festlegun­gen zur Klimaanpassung beitragen und andererseits die Akzeptanz der Festlegungen stärken. Wichtig erscheint erstens eine vertiefte Datengrundlage zur regionalen Betroffenheit durch den Klimawandel beziehungsweise zu einzelnen siedlungsklimatischen Parametern, weil sie eine rechtssichere Begründung von Festsetzungen ermöglicht. Zweitens sind informelle Beteiligungsverfahren hilfreich. Diese ergänzenden Elemente eines klimawandelgerechten Planerstellungsprozesses sollen möglichst miteinander verbunden werden, um bereits während der Erstellung der Datengrundlagen für die zukünftigen Herausforderungen infolge des Klimawandels zu sensibilisieren.

Bei der Ergänzung der Grundlagendaten der Fachplanun­gen lassen sich zwei Wege unterscheiden. Zum einen gibt es umfangreiche Analysen siedlungsklimatischer Belange, wie sie vom Verband Region Stuttgart aber auch dem Ver­band Mittlerer Oberrhein und dem Regionalverband Ruhr erarbeitet wurden. Zum anderen kann eine umfassende Untersuchung der Betroffenheit durch die Folgen des Klimawandels entsprechende Daten zur Verfügung stellen. Eine Integration der Anpassungskapazität erscheint dabei nicht erforderlich. Die Operationalisierung entsprechender Daten ist mit einem hohen Aufwand verbunden, wie ein Ansatz von Gupta et al. verdeutlicht. Die Autoren greifen dabei auf die Oberkategorien gerechte Governance, Vielfalt, Lernkapazität, Raum für autonome Veränderung, Füh­rungsstärke und Ressourcen zurück. Vielfach verfügen die Fachplanungen über Daten zur Betroffenheit in einzelnen Handlungsfeldern der Klimaanpassung, zum Beispiel zu Hochwassergefahren. Daher sollte die bestehende Pra­xis, diese Daten frühzeitig einzubeziehen, weiter verfolgt werden. Es ist möglich – wie das Beispiel der sächsischen Regionalplanung verdeutlicht –, die Fortschreibung der Regionalpläne eines Bundeslandes mit landesweiten Facharbeitsgruppen vorzubereiten, in denen Landes- und Regionalplanung sowie Fachplanungen vertreten sind. Eine entsprechende Zusammenarbeit erschließt Synergien.

Idealtypischer Prozess zur Erstellung eines klimawandelgerechten Regionalplans (Quelle: eigene Darstellung)

Werden auf den Klimawandel bezogene Fachgutachten erstellt, kann die Einbindung politischer Entscheidungs­gremien in den Erstellungsprozess die Legitimation der Ergebnisse steigern. Aufgrund der Unsicherheiten über die Veränderungen der klimatischen Parameter sollten die Fachgutachten die Spannbreite der IPCC-Szenarien berücksichtigen. Zu beachten ist dabei, dass auch extreme Entwicklungen einbezogen werden. Damit sollte berücksichtigt werden, dass bei der Vorausschau zukünf­tiger klimatischer Veränderungen sogenannte kognitive Verzerrungen auftreten. Sie führen dazu, dass wir nicht daran glauben, dass die potenziellen Risiken infolge des Klimawandels eintreten werden. Zum einen wird die Eintrittswahrscheinlichkeit des Gewohnten in der Zukunft oft überschätzt und zum anderen die Eintrittswahrschein­lichkeit extremer Ereignisse oft unterschätzt.

Darüber hinaus ist bei der Erarbeitung des Regionalplans sowohl eine Information als auch die Beteiligung zu einem frühen Zeitpunkt hilfreich, um Konflikte insbesondere zwi­schen Erfordernissen der Klimaanpassung und gemeind­lichen Vorstellungen zur Siedlungsentwicklung frühzeitig zu identifizieren. Vielfach hat sich in den Regionen eine direkte Ansprache der Kommunen bewährt. Dazu können verschiedene Formate, zum Beispiel Kommunalgespräche, bilaterale Erörterungen oder der laufende Austausch in re­gionalen Aktionsräumen (siehe Fallbeispiel Region Leipzig- Westsachsen), genutzt werden. Ein Regionalforum, das auf den Klimawandel bezogen ist, bietet die Möglichkeit, die regionalen Akteure hinsichtlich der Klimawandelbetrof­fenheit und der regionalplanerischen Erfordernisse der Klimaanpassung zu sensibilisieren. Entsprechenden The­men ist genügend Raum einzuräumen und vor allem ist die Spannbreite möglicher Folgen umfassend zu thematisieren. Die Abbildung ordnet die Erstellung zusätzlicher Daten­grundlagen und die informellen partizipativen Elemente einem idealtypischen Prozess der Planerstellung zu.


Schlussfolgerungen

Wenige Regionen räumen derzeit der Integration von Belangen der Klimaanpassung einen hohen Stellenwert ein. Die Bedeutung entsprechender Belange ist vor allem dann hoch, wenn die Folgen klimatischer Veränderungen die Region bereits spürbar betreffen. Beispiele sind die mangelnde Durchlüftung und die daraus resultierende Hitzebelastung in der Region Stuttgart sowie Hochwas­serkatastrophen in der Region Leipzig-Westsachsen. Die Analyse zeigt auch, dass in den meisten Regionen zusätzli­che Ressourcen erforderlich sind, um fachliche Grundlagen für Festlegungen in den Handlungsfeldern der Klimaan­passung selbst zu entwickeln, in denen die Fachplanungen entsprechende Daten nicht ausreichend zur Verfügung stellen. Entsprechendes verdeutlicht die Vulnerabilitätsana­lyse für die Region Leipzig-Westsachsen, die nur in einem MORO erstellt werden konnte.

Eine frühzeitige Einbindung informeller Beteiligungsver­fahren kann die Akzeptanz von Festlegungen zur Kli­maanpassung steigern, aber auch Konflikte mit anderen Handlungsfeldern des Regionalplans frühzeitig identifi­zieren. Dabei müssen auch Konflikte mit den Gemeinden ausgetragen werden, wenn die Regionalplanung ihrer Aufgabe einer nachhaltigen Raumentwicklung gerecht werden will. Um Konflikte produktiv auszutragen, sollte die Regionalplanung eine Arena beziehungsweise Kommuni­kationsangebote bereitstellen. Allerdings können informel­le Beteiligungsverfahren rechtlich bindende Festlegungen nicht ersetzen. Um die erhofften Wirkungen partizipativer Elemente zu erzielen, sollten im Vorfeld der Ausschluss bestimmter Akteursgruppen hinterfragt und Machtver­hältnisse zwischen den Teilnehmern reflektiert werden. Während der Durchführung partizipativer Formate ist zu berücksichtigen, dass Verfälschung von Bedeutung und Macht nicht ausgeblendet werden und somit die Ansichten aller Teilnehmer gleich wertgeschätzt werden.

 

Gesteigerte Akzeptanz durch frühzeitige Einbindung (Quelle: HCU)