Handlungsfelder
Verminderung von Gefahren entlang der Küste
Aufgrund des Klimawandels steigen der Meeresspiegel, die Sturmflutwasserstände und -scheitel sowie die Seegänge. In der Folge sinkt die Wirksamkeit natürlicher Küstenschutzelemente, was die Belastung der Anlagen des Küstenschutzes erhöht. Werden die Anlagen nicht entsprechend angepasst, steigt die Gefahr ihres Versagens. In der Konsequenz erhöht sich das Risiko für Sturmflutschäden im Deichhinterland. Die Betroffenheit variiert regional: Neben Unterschieden in der Veränderung der klimatischen Parameter sind dafür die jeweils spezifischen naturräumlichen Ausgangssituationen und die bestehenden Nutzungen vor Ort maßgeblich. Als potentiell überflutungsgefährdet gelten an der Nordsee die Gebiete, welche fünf Meter oder weniger über dem Meeresspiegel (NN) liegen, an der Ostsee Gebiete mit weniger als drei Metern über NN. Die Gesamtfläche beläuft sich auf 13 900 km², wovon ein Großteil durch Deiche geschützt ist. Dennoch leben in diesen Räumen circa 3,2 Millionen Menschen und die volkswirtschaftlichen Werte umfassen 900 Milliarden €. Weitere Auswirkungen des Klimawandels entlang der Küsten betreffen steigende Belastungen für die Entwässerung, die Verschiebung der Brackwasserzone und eine zunehmende Grundwasserversalzung. Der wasserwirtschaftliche Küstenschutz ist bestrebt, die technischen Schutzeinrichtungen zu ertüchtigen sowie baulich und technisch anzupassen.
Die Regionalplanung kann sowohl die Fachplanung unterstützen als auch das Anwachsen von Schadenspotenzialen reduzieren. Um den Küstenschutz bei einer späteren Verstärkung der Schutzanlagen zu unterstützen, können regionalplanerische Festlegungen zum einen Flächen entlang der Einrichtungen vor Nutzungsänderungen bewahren. Zum anderen kann der Regionalplan auch Klei- und Sandentnahmestellen sichern.
Mögliche Regelungsinhalte zur Verringerung von Schadenspotenzialen in Regionalplänen sind die Darstellung von Sicherungsbereichen entlang erodierender Küstenabschnitte und Bebauungsvorgaben sowohl für sturmflutgeschützte als auch für nicht geschützte Gebiete.49 Eine weiterreichende Option besteht darin, einen späteren Rückzug von Nutzungen aus bestimmten Bereichen vor zubereiten. Entsprechende Festlegungen können aus zwei Gründen sinnvoll sein: Zum einen, wenn die Flächen für Anpassungsmaßnahmen des Küstenschutzes und des Wassermanagements benötigt werden, zum anderen ist aber auch vorstellbar, dass zukünftig aufgrund eines unverhältnismäßig hohen technischen und finanziellen Aufwands bestimmte Bereiche nicht mehr schutzwürdig sind.
Exkurs
STURMFLUTEN der letzten Jahre
Wie konkret die Bedrohung der Küsten bereits ist, zeigen die Folgen der letzten Sturmfluten, beispielsweise Sturmtief Tilo an der Nordsee im November 2007, das zu großen Dünenabbrüchen auf Helgoland führte oder der Orkan Xaver 2013, der große Landverluste auf Sylt und den Ostfriesischen Inseln zur Folge hatte.
Planungspraxis
Die Praxis regionalplanerischer Festlegungen im Handlungsfeld Verminderung von Gefahren entlang der Küste differiert zwischen den betroffenen Flächenländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern. Allein in Niedersachsen enthalten die Regionalpläne Regelungsinhalte, um Entnahmestellen für Klei und Sand zu sichern und Bereiche vor und hinter Küstenschutzanlagen von konkurrierenden Nutzungen freizuhalten.
Die textlichen Ziele in den Regionalplänen Schleswig- Holsteins übernehmen die Vorgaben der Küstenschutzplanung. Als Ziele der Raumordnung wirken die Vorgaben des Fachplans jedoch nur, wenn sie in die raumordnerische Kompetenz des Regionalplans fallen und der Verweis auf die Vorgaben des Fachplans bestimmt erfolgt. Auch die Festlegungen der beiden Regionen Westmecklenburg und Vorpommern unterstützen die wasserwirtschaftliche Fachplanung.
In den Vorranggebieten Küstenschutz des Regionalplans Vorpommern sollen sich alle Planungen und Maßnahmen dem Küstenschutz unterordnen, womit das textliche Ziel nicht über die Begriffsdefinition des Raumordnungsgebiets im ROG hinausgeht oder sie konkretisiert.
Regionaler Planungsverband Vorpommern:
Z In den Vorranggebieten Küstenschutz sind alle Planungen und Maßnahmen den Anforderungen des Küstenschutzes unterzuordnen.
Darüber hinaus zielen die Festlegungen im Regionalplan Vorpommern darauf, die Schadenspotenziale zu reduzieren. Dazu unterscheiden die textlichen Grundsätze zwischen den beiden Gebietskulissen Siedlung und Außenbereich. In der ersteren ist der Status quo mit Schutzmaßnahmen und -bauwerken zu wahren. Darüber hinaus enthält der textliche Grundsatz einen Auftrag zur Entwicklung von Strategien, um das Schadenspotenzial für Leib und Leben zu verringern.
Regionaler Planungsverband Vorpommern:
G Überflutungsgefährdete Siedlungen sollen vor den Auswirkungen von Sturmfluten durch Maßnahmen und Bauwerke des Küstenschutzes gesichert werden. Dazu sollen auch Strategien erarbeitet werden, mit denen das Schadenspotenzial für alle in überflutungsgefährdeten Gebieten lebenden Menschen langfristig verringert werden kann.
Außerhalb der im Zusammenhang bebauten Bereiche strebt die Regionalplanung eine natürliche Küstendynamik an, wobei kommunale Entwicklungsbelange berücksichtigt werden sollen.
Regionaler Planungsverband Vorpommern:
G Wo Küstenschutzmaßnahmen zur Sicherung der im Zusammenhang bebauten Gebiete nicht erforderlich sind, sollte die natürliche Gewässer- und Küstendynamik unter Beachtung der kommunalen Entwicklungsbelange nach Möglichkeit zugelassen werden.
Im Vergleich zu den Empfehlungen der MKRO weisen die regionalplanerischen Festlegungen zur Verminderung von Gefahren entlang der Küste damit insbesondere in den Handlungsfeldern Risikominimierung in nicht ausreichend sturmflutgeschützten Küstengebieten und Freihaltung von Pufferzonen an ungeschützten Erosionsküsten Defizite auf. Fachliche Grundlagen sind mit Küstenschutzplanungen in allen drei Küstenländern vorhanden, so dass die Defizite im Handlungsfeld Küstenschutz vor allem in der Integration der Belange in den Regionalplan liegen. Zu den Wirkungen der Festlegungen liegen keine Ergebnisse vor.
Steckbrief
Instrumenteninnovationen
Die im Folgenden aufgeführten Instrumente dienen der Behebung der beschriebenen Defizite und zeigen mögliche Lösungswege auf, die Verminderung von Gefahren entlang der Küste stärker in den Regionalplan zu integrieren. Im Einzelnen thematisieren sie folgende Punkte:
- Verhinderung zusätzlicher Schadenspotenziale in deichgeschützten Bereichen
- Standortsicherung kritischer Infrastrukturen in deichgeschützten Bereichen – Flexibilisierung mit Regel- Ausnahme-Struktur
- Verringerung zusätzlicher Schadenspotenziale in deichgeschützten Bereichen
Bezeichnung | Vorranggebiet Anpassung an Überschwemmungen mit einem hohen Gefahrenpotenzial |
Grundsätze der Raumordnung im ROG | „Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen,
sowohl durch Maßnahmen, [...], als auch durch solche, die der Anpassung an den
Klimawandel dienen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 7 ROG)
„Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 5 ROG) |
Handlungsschwerpunkt Klimaanpassung der MKRO | Ergänzende Risikominimierung in sturmflutgeschützten Küstengebieten |
Landesplanerische Vorgaben | nicht erforderlich, weil das ROG unmittelbar gilt |
Datengrundlagen / Abgrenzungskriterien | Hochwassergefahrenkarten (HWRM-RL), Daten der Wasserwirtschaft und eigene Erhebungen / Wasserstandshöhe > 2 m, spezifischer Abfluss > 2 m²/s bei einem Ausfall der Schutzeinrichtungen |
Textliche Festlegung zum Ziel der Raumordnung | In den Vorranggebieten Anpassung an Überschwemmungen mit einem hohen Gefahrenpotenzial sind nur Bauleitplanungen zulässig, die der Erhaltung, der Erneuerung, der Anpassung oder dem Umbau vorhandener Ortsteile dienen. Die Bauleitpläne haben eine an die bei Extremhochwasser mögliche Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit angepasste Bauweise vorzuschreiben. Erweiterungen und Nachverdichtung bestehender Siedlungsbereiche sind ausgeschlossen. |
Planadressat | Kommunale Bauleitplanung |
Mögliche Synergien mit anderen Zielsetzungen | Sicherung eines Netzes ökologisch bedeutsamer Freiräume, Ressourcenschutz |
Mögliche Konflikte mit anderen Zielsetzungen | Siedlung und Verkehr |
Referenzen | Eigene Ausarbeitung basierend auf:
Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986). Zuletzt geändert durch Artikel 124 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) Ministerkonferenz für Raumordnung 2013: Raumordnung und Klimawandel, Umlaufbeschluss vom 06.02.2013. Berlin |
Bezeichnung | Vorranggebiet Anpassung an Überschwemmungen |
Grundsatz ROG | „Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen,
sowohl durch Maßnahmen, [...], als auch durch solche, die der Anpassung an den
Klimawandel dienen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 7 ROG)
„Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 5 ROG) „Dem Schutz kritischer Infrastrukturen ist Rechnung zu tragen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 ROG) |
Handlungsschwerpunkt Klimaanpassung der MKRO | Ergänzende Risikominimierung in sturmflutgeschützten Küstengebieten |
Landesplanerische Vorgaben | nicht erforderlich, weil das ROG unmittelbar gilt |
Datengrundlagen / Abgrenzungskriterien | Hochwasserrisikomanagementkarten, Daten der Wasserwirtschaft, eigene Erhebungen |
Textliche Festlegung zum Ziel der Raumordnung (Regel) | Die Errichtung oder der Ausbau kritischer Infrastrukturen und von Störfallbetrieben ist in Vorranggebieten Anpassung an Überschwemmungen ausgeschlossen. |
Festlegung einer Ausnahme von der vorstehenden Regel | Eine Ausnahe ist zuzulassen, wenn Planungen und Maßnahmen der kritischen Infrastruktur zwingend notwendig sind und wenn geeignete Objektschutzmaßnahmen ergriffen werden. |
Planadressat | Kommunale Bauleitplanung |
Mögliche Synergien mit anderen Zielsetzungen | - |
Mögliche Konflikte mit anderen Zielsetzungen | Siedlung und Verkehr, Fachplanungen mit Bezug zu kritischen Infrastrukturen |
Referenzen | Eigene Ausarbeitung basierend auf:
Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986). Zuletzt geändert durch Artikel 124 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) Ministerkonferenz für Raumordnung 2013: Raumordnung und Klimawandel, Umlaufbeschluss vom 06.02.2013. Berlin |
Bezeichnung | Vorranggebiet Anpassung an Überschwemmungen |
Grundsatz ROG | „Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen,
sowohl durch Maßnahmen, [...], als auch durch solche, die der Anpassung an den
Klimawandel dienen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 7 ROG)
„Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 5 ROG) |
Handlungsschwerpunkt Klimaanpassung der MKRO | Ergänzende Risikominimierung in sturmflutgeschützten Küstengebieten |
Landesplanerische Vorgaben | nicht erforderlich, weil das ROG unmittelbar gilt |
Datengrundlagen / Abgrenzungskriterien | Hochwassergefahrenkarten (HWRM-RL), Daten der Wasserwirtschaft, eigene Erhebungen / Wasserstandshöhe < 2 m bei einem Ausfall von Schutzeinrichtungen |
Textliche Festlegung zum Ziel der Raumordnung | In den Vorranggebieten Anpassung an Überschwemmungen hat eine dem Hochwasserrisiko angepasste Nutzung zu erfolgen. Bei neuer Bebauung sind geeignete bautechnische Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrags wassergefährdender Stoffe im Überschwemmungsfall vorzusehen. Bei der Sanierung bestehender Bebauung sind geeignete bautechnische Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrags wassergefährdender Stoffe im Überschwemmungsfall zu berücksichtigen. |
Planadressat | Kommunale Bauleitplanung |
Mögliche Synergien mit anderen Zielsetzungen | Sicherung eines Netzes ökologisch bedeutsamer Freiräume, Ressourcenschutz |
Mögliche Konflikte mit anderen Zielsetzungen | Siedlung und Verkehr |
Referenzen | Eigene Ausarbeitung basierend auf:
Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986). Zuletzt geändert durch Artikel 124 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) Ministerkonferenz für Raumordnung 2013: Raumordnung und Klimawandel, Umlaufbeschluss vom 06.02.2013. Berlin |