Übergeordnete Empfehlungen

Die Funktion der Regionalplanung besteht darin, den Raum zu ordnen und zu entwickeln. Die Regionalplanung muss sich daher mit zwei unterschiedlichen Politikfeldern befassen: „einerseits kann sie regulativ, also mit rechtli- chen Regelungen, die Raumnutzung restringieren und auf bestimmte Gebiete lenken, andererseits muss sie die wirt- schaftlichen, sozialen und kulturellen Kräfte einer Region unterstützen, die Entwicklung ihres Raumes kreativ und konstruktiv über kooperative Prozesse voranzutreiben“77. Vertreter einer strategischen Regionalplanung streben an, die beiden Elemente regionalplanerischen Handelns – steu- ernde Elemente und prozesshafte Organisation – stärker zu verknüpfen.78

Für die Klimaanpassung sind sowohl die Ordnungs- als auch die Entwicklungsfunktion relevant. Zum einen sind überörtlich bedeutsame Flächen mit ihren Funktionen
für die Handlungsfelder der Klimaanpassung (bspw. Flächen für die Retention von Hochwasser und den Kaltluftaustausch zwischen Stadt und Umland) zu sichern (Ordnungsfunktion). Zum anderen ist es erforderlich, dass die Regionalplanung in einem prozesshaften Vorgehen anstrebt, bestehende und zukünftige Gefahren infolge der klimatischen Veränderungen und ihrer Folgen zu verrin- gern. Das erfordert auch, Flächennutzungen zu verändern. Ein Beispiel für die Entwicklungsfunktion im Zuge der Kli- maanpassung ist, Flächen für die Retention von Hochwas- ser zurückzugewinnen. Die übergreifenden Empfehlungen zur Integration der Klimaanpassung in regionalplanerische Festlegungen greifen dementsprechend auf die beiden Funktionen von Regionalplanung zurück.

Die Mehrzahl der Innovationen und Good Practices zielt auf die Ordnungsfunktion, indem die Festlegungen Freiflä- chen und ihre Funktionen für eine klimaangepasste räum- liche Entwicklung sichern. Erfolgreich sind restriktive Re- gelungen, wenn die Regionalplanung Handlungen anderer Akteure, die den Festlegungen zuwiderlaufen, unterbinden kann. Ziele der Raumordnung verschaffen der Regionalpla- nung entsprechende Möglichkeiten. Weichen Planungen anderer Akteure vom Zielsystem des Regionalplans ab, ist eine durchsetzungsstarke Intervention in formalen Verfah- ren möglich. Grundsätze, die nachfolgende Planungen in die Abwägung einbeziehen, sind weniger durchsetzungs- fähig. Dementsprechend sollten die möglichen Wirkungen zukünftiger regionalplanerischer Festlegungen bei der
Planerstellung und -fortschreibung kritisch reflektiert werden, um mit durchsetzungsstarken Festlegungen Funk- tionen von Flächen zu sichern, die für eine klimagerechte Entwicklung der Region bedeutsam sind.

Eine Kritik, die bereits in den 1970er Jahren an der Planung geübt wird, ist ihr weit umfassender Steuerungsanspruch. Auch für die gegenwärtige Planungspraxis ist die Kritik noch relevant. Die bundesweite Analyse regionalplaneri- scher Festlegungen identifizierte zahlreiche Plansätze, die den rechtlich definierten Kompetenztitel der Regional- planung überschreiten. Damit verwenden die Regionalen Planungsstellen Ressourcen für die Entwicklung von Fest- legungen, die oft nicht mal für ihr eigenes Handeln beim Planvollzug relevant sind. Eine Folge des Fehlens einer Schwerpunktsetzung auf prioritäre Handlungsfelder ist, dass die Regionalplanung Einflussmöglichkeiten verspielt. Drastischer formuliert es ein Aufsatztitel „If planning is everything, maybe it’s nothing“79. Auch für Festlegungen zur Klimaanpassung ist damit der Rahmen der bundes- und landsrechtlichen Vorgaben entscheidend, d. h. die Regelungsinhalte sind am raumordnerischen Kompetenz- titel sowie an Gegenstand und Adressat der Bindungswir- kungen auszurichten. Ein solches Vorgehen stellt im Sinne der Ordnungsfunktion sicher, dass Flächen mit ihren Funk- tionen für die Klimaanpassung wirksam gesichert werden. Beispiele für entsprechende Festlegungen enthalten die aufgeführten Good Practices und Innovationen. Herauszu- heben sind die multifunktionalen Grünzüge, die unter- schiedliche Funktionen schützen, als durchsetzungsfähig angesehen werden und auch von nachfolgenden Planungs- ebenen anerkannt sind.

Die Interviews mit Akteuren der Regionalplanung verdeut- lichen, dass die Planungsstellen Anliegen der Klimaanpas- sung auch in Kooperation mit anderen Akteuren umsetzen. Entsprechende Aktivitäten verfolgen bspw. der Verband Region Stuttgart im Handlungsfeld Siedlungsklima und der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen bei der Aufforstung, die sowohl dem Rückhalt von Niederschlags- wasser als auch der Kaltluftentstehung dient. Die Regionen verfolgen damit einen entwicklungsorientierten Ansatz und beschränken ihre Handlungen nicht nur darauf, beste- hende Nutzungen zu sichern. Die Planungspraxis enthält damit auch in den Handlungsfeldern der Klimaanpassung Elemente einer kooperativen Regionalplanung, in der regionale Akteure unter wesentlicher Mit-Steuerung durch die Regionalplanung zusammenarbeiten, um regionale Gemeinschaftsaufgaben wahrzunehmen.80 Im Hinblick auf die Festlegungen ist relevant, dass Ziele und Grundsätze entsprechende Aktivitäten der Planungsstellen legitimie- ren können. Damit kann es sinnvoll sein, Festlegungen

zu treffen, die über den skizzierten Rahmen der rechtlich durchsetzungsfähigen Festlegungen hinausgehen. Ein Beispiel sind die Vorbehaltsgebiete Anpassung an den steigenden Meeresspiegel. Sie regen dazu an, Konzepte zum Umgang mit Nutzungen in sturmflutgefährdeten Berei- chen zu entwickeln.

Besteht das Ziel von Festlegungen für eine klimagerechte Regionalentwicklung in der Entwicklungsfunktion, sollten strategisch Schwerpunkte auf prioritäre Handlungsfelder gesetzt werden. Dabei sind die Aufgaben und die verfügba- ren Ressourcen zu berücksichtigen.81 Als erfolgreich erweist sich ein kooperatives Vorgehen vor allem dann, wenn Themen aufgegriffen werden, die von den Gemeinden und den Fachplanungen nicht aufgegriffen gleichzeitig aber als regional bearbeitungsbedürftig empfunden werden.82 Für die thematisierten Handlungsfelder der Klimaanpassung ist dies vor allem beim Schutz vor Hitze in Siedlungsberei- chen der Fall. In dem Handlungsfeld besteht keine starke Fachplanung. Auch erfordert der Austausch von Kaltluft zwischen dem Umland und der Stadt eine Sichtweise, die über die administrativen Grenzen einer Gemeinde hinaus- geht. Damit bietet sich für eine entwicklungsorientierte Regionalplanung die Möglichkeit, tätig zu werden.

Im Handlungsfeld Vorbeugender Hochwasserschutz ist die Ausgangssituation grundlegend verschieden. Mit der Was- serwirtschaft besteht hier eine starke Fachplanung, die ihre Handlungen mit der Umsetzung der Hochwasserrisikoma- nagementrichtlinie auf die ursprünglich regionalplaneri- schen Handlungsfelder Rückhalt von Niederschlagswasser und Minimierung des Schadenspotenzials ausweitet. Bundes- und Landesrecht folgen dem Entwicklungstrend. Zudem erscheint die Regionalplanung aufgrund ihrer räumlichen Abgrenzung, die an administrativen Grenzen orientiert ist, weniger geeignet für Fragen des Vorbeugen- den Hochwasserschutzes. Die Wasserwirtschaft verfolgt zunehmend einen Ansatz, der die Zusammenhänge in Flusseinzugsgebieten betrachtet. Die Regionalplanung

ist daher nicht als der primäre Akteur, um Konzepte zur
Verringerung von Hochwassergefahren umzusetzen. Für die integrierte Planung ist aufgrund der historischen Entwicklung die Verringerung der Hochwasserentstehung und -gefahren gegenüber der Steuerung der Siedlungsent- wicklung von nachrangiger Bedeutung.83 Daher beschäf- tigen sich viele Regionen – insbesondere wenn sie in der jüngeren Vergangenheit nicht von verheerenden Über- schwemmungen betroffen waren – meist nicht vertieft mit dem Vorbeugenden Hochwasserschutz.

Bei der Fortschreibung des Regionalplans und der Integra- tion von Festlegungen zur Klimaanpassung sind neben den strategischen Überlegungen zu den Regelungstatbeständen und ihrer normativen Ausgestaltung auch die verfügbaren Daten zur regionalen Betroffenheit zu berücksichtigen. Belastbare Datengrundlagen sind nicht nur für eine rechts- sichere Abgrenzung der Raumordnungsgebiete erforder- lich, sondern erhöhen auch im späteren Planvollzug die Überzeugungskraft der regionalplanerischen Argumenta- tion. Dennoch sollte die Regionalplanung bei unsicheren Aussagen zu klimatischen Veränderungen mutiger auf das bestehende Wissen zurückgreifen und ihre Einschätzungs- prärogative nutzen. Ist die Regionalplanung in regionale Betroffenheitsanalysen involviert, sollte sie darauf drängen, die mögliche Spannbreite klimatischer Veränderungen mit Szenarien zu berücksichtigen. Auch wenn zu einem Zeit- punkt eine Entscheidung für ein Szenario gefällt werden, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit als realistisch angese- hen wird, können die Ergebnisse anderer Szenarien für das spätere Handeln hilfreich sein. Zeichnen sich unvorherge- sehene Veränderungen bei den klimatischen Parametern ab, liegen bereits Informationsgrundlagen vor, auf deren Grundlage das regionalplanerische Handeln angepasst werden kann.